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Panorama-Aufnahme Wegberg mit Burg Wegberg, Forum, Wegberger Mühle, Rathaus und Pfarrkirche St. Peter & Paul, Foto: Heinen
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> Dä Berker Wenk-er
Unser aktuelles Projekt "Dä Berker Wenk-er"
> Entstehung und Entwicklung des Projekts
Der Historische Verein Wegberg ist mit seinem monatlichen Mundart-Treff „De Berker Klängerstu’ef“ seit mehr als 20 Jahren im Bereich Mundart aktiv. Die Akteure der "Klängerstu'ef" haben es sich zum Ziel gesetzt, das Kulturgut "Platt" zu pflegen und aufzuwerten.
Was allerdings in der Arbeitsgruppe vermisst und bei Mundart-Treffen mit befreundeten Vereinen offenkundig wurde, war die Möglichkeit, die sprachlichen Unterschiede zwischen einzelnen Orten auf der Grundlage von Referenztexten zu ermitteln.
Ausgehend von solchen Überlegungen haben sich im Laufe der Zeit weitere Aktivitäten entwickelt. Schon seit längerem unterhalten wir Kontakte zum LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, zum Germanistischen Institut an der Universität Bonn und aktuell zum Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Universität Marburg.
Unser Mundart-Projekt "Dä Berker Wenk-er"
Unsere Beiträge im Rahmen unseres
"Citizen-Science-Bürger-schaffen-Wissen"-Projekts
zur Wenker-Forschung
am LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
sowie an der Universität Bonn und
am Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas
an der Universität Marburg
Durch unsere Kontakte zum LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn wurden wir auf die Sprachforschungen des Dialektologen Georg Wenker aus den Jahren ab 1876 aufmerksam. Hierbei handelt es sich um die größte und bislang einzige umfassende Mundart-Forschung im deutschsprachigem Raum.
Diese Unterlagen, die sogenannten „Wenkerbögen“ (mehr als 57.000) lagerten fast 140 Jahre in Archiven der Philipps-Universität Marburg und waren nur Sprachwissenschaftlern zugänglich.
Um die wertvollen historischen Zeugnisse der deutschen Sprache in ihrem vollen Potential nutzen zu können, müssen die handschriftlich ausgefüllten Wenkerbögen mit ihren 40 bzw. 42 Sätzen transliteriert werden, d.h. die Buchstaben der deutschen Kurrentschrift müssen entziffert werden. Leider können heute nicht mehr viele Menschen diese Schrift überhaupt lesen.
Diese Wenkerbögen wurden im März 2022 vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas (DSA) an der Universität Marburg in einem Wenkerbogen-Katalog online gestellt. Im Rahmen von Citizen-Science Projekten versuchte man nun interessierte Laien für eine Transliteration zu gewinnen. Hierzu wurde eine Transliterations-App geschaffen, mittels der man die transliterierten Sätze hochladen kann.
Bereits im Sommer 2022 hatten wir uns eingehend mit Georg Wenker und seinen Sprachforschungen beschäftigt und ein > Porträt auf dieser Website eingestellt. Unterstützung hierbei erhielten wir von Frau Verena Krautwald von LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte und von Frau Malin Ostermann vom Germanistischen Institut an der Universität Bonn. Letztere ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am > Projekt „Dialektatlas Mittleres Westdeutschland“ (DMW).
Eine weitaus intensivere Beschäftigung entstand durch die Kontaktaufnahme mit dem Forschungszentrum DSA an der Phillips-Universtät in Marburg. Frau Dr. Lisa Dücker, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum DAS, verdanken wir viele Hinweise zur Nutzung des Wenkerbogen-Katalogs.
In diesem Beispiel wurde "Wegberg" als Schulort eingeben und es wird ein (inzwischen) transliterierter Bogen (erkennbar an der grünen Markierung) mit der Bogenummer 23755 angezeigt. Auf dem Kartenbild rechts sieht man in einem vergrößerten Ausschnitt die Schwerpunkte der Transliterierungshäufigkeit.
Um in der Region für eine wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Mundart Interesse zu wecken, haben wir im Juli 2023 Frau Krautwald zu einem Vortrag über den aktuellen Stand der Wenker-Forschung nach Wegberg eingeladen. Hierbei wurde das Interesse von Dietmar Schmitz, langjähriger Vorsitzender des Historischen Vereins, geweckt. Er begann spontan damit, die Wenkerbögen aus dem heutigen Stadtgebiet Wegberg zu transliterieren und mittels der App des Forschungszentrums DSA hochzuladen. Das dort initiierte Citizen-Science Projekt haben wir kurzer Hand in "Bürger schaffen Wissen" umbenannt. Diese Betitelung bot allerdings (noch) keinen regionalen Bezug.
Dann ging es „Schlag auf Schlag“: Zunächst hat Dietmar Schmitz den Altkreis Erkelenz, dann die Altkreise Geilenkirchen sowie Heinsberg bearbeitet, sodass inzwischen für alle Schulorte des gesamten Kreises Heinsberg transliterierte Sätze vorliegen. Inzwischen liegt auch für Mönchengladbach sowie für weitere Kommunen eine umfassende Bearbeitung der verfügbaren Wenkerbögen vor.
Um einen Eindruck zu gewinnen, hier ein Beispiel:
> Die ersten 6 der 42 "Rheinischen Sätze" aus dem Bogen, den Georg Wenker im Jahre 1876 an der "Herren Lehrer im Rheinland" verschickt hat.... und so wurden diese Sätze beispielsweise von Lehrer Eickelbaum, gebürtig aus Xanten, in Mönchengladbacher Mundart übersetzt und handschriftlich aufgeschrieben:1. Thu Dir ein Tuch um den Kopf binden!2. Sie hat zu mir gesagt, sie wollte heut Abend wieder nach Haus kommen.3. Wir sind von ihnen bestellt worden.
4. Im Winter fliegen die Blätter durch die Luft.
5. Unter dem Apfelbäumchen da hinten stehen zwei Bänkchen.
6. Der Schnee ist diese Nacht bei uns liegen geblieben; er liegt drei Fuß hoch.
Auszug aus dem Bogen 29981 aus M.Gladbach
... wahrlich keine leichte Aufgabe: Dietmar Schmitz hat Kurrent- und Handschrift "entziffert" und einschließlich der diakritischen Zeichen, die zur Differenzierung der Vokale eingesetzt werden. Hier wieder die ersten sechs Sätze aus dem Bogen 29981.
1. Dŏn dech ene Dook öm der Kopp.2. Se hǎt mech geseit se woll dĕse N´ovend ĕkesch we´er kŭome.
3. Wie send von denne beschtallt wo=ͣde.
4. Em Wengter flegen de Bla`er dor de Loh=ͧ̆t.5. Onger dem Appelbömke schtont twei Bänkskes.6. Der Schnë̆j* es des Näjt bej oss liege bliewe; hä lit drëj Fot hŭ=ͦh.
Entwicklung von interaktiven Karten mit den Standorten der Dorfschulen
Um die mittlerweile vielen entdeckten Schulorte und die transliterierten Sätze besser zugänglich zu machen, haben wir auf dieser Website eine Dokumentation mit interaktiven Karten und Tabellen erstellt. Durch Anklicken der Schulorte auf der Karte gelangt man zur Ansicht der historischen Wenkerbögen. Auf den beigefügten Tabellen finden sich Informationen zu den bearbeiteten Lehrern und durch Anklicken der Bogen-Nummern gelangt man zu den von Dietmar Schmitz transliterierten Sätzen.
Beispiel: screenshot der interkativen Karte mit den "Wenkerorten" im heutigen Stadgebiet Wegberg.
Nach der Erfassung der Wenkerorte im Raum Wegberg und der Transliterierung der Wenkersätze aus den ermittelten Wenkerbögen durch Dietmar Schmitz wurde schnell klar, dass eine Ausweitung des Projekts auf die umliegenden Kommunen erforderlich wird.
Wir haben uns dabei zunächst an der historischen Zuordnung der Wenkerbögen zu den damaligen Kreisen orientiert und so die Wenkersätze aus den Altkreisen Erkelenz, Geilenkirchen und Heinsberg transliteriert. Zur besseren Übersicht über die regional verfügbaren Wenkerbögen und zur einfacheren Nutzung der Wenkersätze außerhalb des Wenkerbogen-Katalogs der Uni Marburg planten wir - wie bereits bei der interaktiven Karte für die Wenkerorte im Stadtgebiet Wegberg - eine Gesamtdarstellung aller Wenkerorte aus der Region. Dabei wurde schnell klar, dass die Anzahl der Marker so groß wurde, dass eine übersichtliche Darstellung nicht mehr gewährleistet war.
Zur besseren Nutzung wurde daher eine Darstellung der Wenkerorte gewählt, die sich an den drei historischen Altkreise orientiert. Diese interaktiven Karten der drei historischen Altkreise sind inzwischen jeweils als Einzelseiten dargestellt:
Die Aufteilung in die drei Altkreise hat lediglich historische Gründe und bildet keinesfalls Mundart-Grenzen ab.
In einem weiteren Schritt wurden die Wenkerorte den heutigen Kommunen zugeordnet, um diese dort besser verfügbar zu machen.
Über das Gebiet des Kreises Heinsberg hinaus sind inzwischen eine Vielzahl von Wenkerorten in den umliegenden Kommunen erfasst und die dort vorliegenden Wenkerbögen sind transliteriert worden.
Tabellarische Erfassung der Schulorte
Eine detailierte Darstellung aller Informationen, wie z.B. Jahr der Erhebung,Name und geburtsort der Lehrer, Bearbeiter, Projektname, Bearbeitsdeatum und weiterführenden Links zum Wenkerbogen-Katalog, war auf der Karte nicht möglich, zumal häufig für einen Schulort zwei Wenkerbögen vorliegen. Diese Informationen wurden in Tabellen erfasst und dargestellt, wobei es möglich wurde die Bögen der Erhebungen aus 1876 und 1884 nebeneinander einem Schulort zuzuordnen.
Beispiel: screenshot aus der Tabelle "Wenkerort Wegberg"
Die weiteren Tabellen mit den Verlinkungen finden Sie ebenfalls wie die interaktiven Karten unter: > Wenkerorte in der Region
Heatmap des Forschungszentrums DSA, > Aktueller Stand März 2024
Im August 2023 veröffentlichte das Forschungszentrum DSA erstmals eine heatmap, auf der die Schwerpunkte von transliterierten Wenkerbögen erkennbar wurden. Hier wurde auch für uns erstmals der Umfang der Arbeiten von Dietmar Schmitz und das Alleinstellungsmerkmal im Rheinland deutlich, zunächst die Markierungen rund um Wegberg, dann im Kreisgebebiet von Heinsberg und aktuell auch der Bereich Stadt Mönchengladbach.
Wenn es sich bei dieser Darstellung um eine Wetterkarte handeln würde, könnte man meinen: "Da braut sich im Rheinland was zusammen". „Verantwortlich“ hierfür ist – bis auf wenige Ausnahmen – Dietmar Schmitz. Die Karte zeigt deutlich, dass sich neben einem Schwerpunkt um Essen im Laufe der letzten Monate in und um Wegberg, im Kreis Heinsberg und jetzt aktuell mit der Markierung „Mönchengladbach“ ein "Hotspot" im Rheinland entwickelt hat.
Diese Darstellungen brachten Dietmar Schmitz auf die Formulierung, dass er etwas "frischen Wind" (op Platt: Wenk) in die Mundart-Forschung gebracht hätte. Mit dem Ortsbezug zu Wegberg (op Platt: "Berk") entstand "Dä Berker Wenk". Erst mit einem zweiten Gedanken eröffnete sich durch den Anhang "-er" ein tolles Wortspiel.
Leaderboard des Forschungszentrum DSA
Im Dezember veröffentliche das Forschungszentrum DSA erstmals eine „Top 10“ von Mitarbeitern an den Citizen-Science Projekten. Zu unserer Überraschung war Dietmar Schmitz mir 8.000 Sätzen auf Platz 2 vertreten. Inzwischen hat er die 10.000-Marke überschritten und befindet sich aktuell auf Platz 1.
Sortierung der Darstellung der Wenkersätze zur weiteren Erforschung
In einem weiteren Schritt wurden die Sätze sortiert und so können jetzt unmittelbare Vergleiche zwischen Stadtbezirken herausgearbeitet werden. Hier der Satz WS1 aus 1876: „Thu Dir ein Tuch um den Kopf binden!“
Update 18.02.2024
Update 19.01.2024
Update Dec. 2023
Auszug aus den Release Notes des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas DSA
Dezember 2023:
Bei unserer letzten Aktualisierung am 30.12.2023 stand Dietmar Schmitz mit 6107 transliterierten Wenker-Sätzen (153 Wenkerbögen) noch auf Platz 2.
Heute am 10.01.2024 hat er den Spitzenplatz mit 7373 Sätzen und 181 transliterierten Bögen erreicht. Gratulation!
Stand unserer regionalen "Wenker-Forschung"
Begonnen mit der Transliterierung von Wenkerbögen hat Dietmar Schmitz Ende Juli 2023, zunächst mit einigen Bögen aus dem heutigen Stadtgebiet von Wegberg. Mittlerweile hat er das gesamte Stadtgebiet von Wegberg bearbeitet und dehnt aktuell seine Aktivitäten in die Nachbar-Regionen aus: Über den heutigen Kreis Heinsberg hinaus sind auch Wenkerbögen aus Mönchengladbach bearbeitet.
Am 22.11.2023 konnte er seinen 100sten Wenkerbogen beim Forschungszentrum DSA hochladen.
Noch deutlicher zeigt sich der Effekt bei einem Vergleich von fünf screenshots vom 26.09.2023, vom 21.11.2023 (mit 90), vom 13.12.2023 (mit 131) und vom 30.12.2023 (mit 153 Transliterationen) und vom 18.02.2024 (mit 10.074 Wenker-Sätzen).
Wenn es sich bei dieser Darstellung um eine Wetterkarte handeln würde, könnte man meinen: "Da braut sich um Wegberg was zusammen". Dabei handelt es sich um eine sogenannte heatmap des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas DSA.
Seit August 2023 sieht man dort, wo bereits Transliterationen vorliegen. Die Karte zeigt deutlich, dass sich im Rheinland in und um Wegberg ein "Hotspot" entwickelt hat.
Historischer Verein Wegberg e.V. - 19.05.2019 - Letzte Änderung: 02.12.2023